LINUS: Unterwegs zu Hause

Linus ist ständig auf dem Weg. Doch er kommt nirgends an. Linus hat kein Zuhause mehr, wo er hingehen kann. Er ist obdachlos. Ein beständiger Ortswechsel strukturiert seine Tage. Seine tägliche Strecke durch die Stadt ist weit. Das Wenige, das er noch hat, trägt er immer bei sich. Die Momente am Bahnsteig und in der Bahn sind wichtige Stationen: zum Aufwärmen, mal kurz hinsetzen. Im Trockenen. Immer mit Blick auf die Türen – denn ein Ticket hat er nicht. Er will keinen Ärger, aber ohne Geld? Und den ganzen Weg zu laufen, schafft er körperlich nicht. So geht es für Linus von einer Hilfseinrichtung zur nächsten. Morgens Frühstück im Franziskustreff, dann weiter dahin, wo es in der Stadt die nächste warme Mahlzeit zum Mittagessen gibt. Und anschließend den Nachmittag überdauern, in einem warmen Tagesaufenthalt. In Gesellschaft sein, bis die Nacht hereinbricht.

Das sind überlebenswichtige Anlaufstellen, um wieder einen Tag zu schaffen. Hier ist er willkommen, kann ein bisschen bleiben. Besonders bei Kälte und Nässe. Besonders in den Nächten. Dann schläft Linus in der B-Ebene. Ein Tagesablauf, typisch für viele, die kein Zuhause haben in Frankfurt.

„Ist halt mehr so Kampf ums Überleben“, beschreibt er das Leben auf der Straße.

Linus hatte ein Zuhause. Das ist noch gar nicht so lange her. Er hatte einen Ort, wo er Schutz und Privatsphäre fand. Hatte Menschen um sich – Freunde, Kollegen und Familie. Ging gern zur Arbeit.

Bis sein Leben aus den Fugen geriet.

„Das hätte ich mir nicht vorstellen können, aber dass das dann so schnell geht, dieser Abstieg…“ sagt er selbst. Wie sowas passiert? Er kann es nicht begreifen, versucht selbst noch, es zu verstehen.

Weniger Besitz gleich weniger Verpflichtung? Weniger Sorgen?

Das ist eine Gleichung, die für Menschen in Not nicht aufgeht. Denn Linus besitzt kaum das Nötigste. Mehr kann er ohnehin nicht tragen. Dafür sind seine Sorgen größer denn je: Linus weiß nicht mehr, wohin mit sich und seinen Tüten. Die hat er immer bei sich. Es gibt keinen sicheren Ort, wo er sie bedenkenlos lassen kann. Sonst verliert er das letzte Wenige auch noch. So streift er durch die Stadt. Seit mehr als einem Jahr schon. Denn da verlor der ausgebildete und berufserfahrene Telekommunikationstechniker sein Zuhause.

„Das Wichtigste ist, dass du erstmal Essen hast, zu trinken. Und schlafen ist natürlich sehr wichtig. Ohne die Hilfseinrichtungen in der Stadt, wäre es kaum möglich.“
LINUS

Linus, ein Mensch. Ohne Wohnung.

Wie man sie jeden Tag sehen kann, in Frankfurt am Main und anderswo. Über diese Menschen wird ab und zu berichtet. Doch hier berichtet einer selbst. Zeigt die Orte, wo sein Leben noch in Ordnung war. Die er nun anders erlebt: für ihn verschlossen.

„Ich hoffe nur, es wird nicht so frostig dieses Jahr“

Linus steht der Winter auf der Straße bevor. Schon jetzt regnet es ohne Ende. Unterwegs erzählt er, was ihm Sorgen macht. Ein Infekt mit Fieber und Husten plagt ihn. Den ganzen Tag mit Schmerzen unterwegs sein. Kein Rückzugsort. Wenig Pausen. Auch nicht, wenn er krank ist.

Das Leben ist hart

Aber Linus macht weiter. Den Ablauf aufrechterhalten. Struktur, die Halt gibt. Etwas Kontrolle behalten.

„Das Wichtigste ist, dass du erstmal Essen hast, zu trinken. Und schlafen ist natürlich sehr wichtig. Ohne die Hilfseinrichtungen in der Stadt wäre es kaum möglich.“, so Linus.

Jeden Morgen geht Linus zum Franziskustreff. Er setzt sich an einen Tisch und frühstückt in Ruhe. Wärmt sich auf. Seit über einem Jahr schon. Denn da verlor er sein Zuhause. Statt in der eigenen Küche beginnt sein Tag nun im Frühstücksraum neben der Liebfrauenkirche.

Nach einer weiteren unruhigen Nacht im Notquartier schöpft er hier Kraft. Bei dampfendem Kaffee, frischem Brot und leckerem Aufschnitt. Ein bisschen wie zuhause. Freundliche Mitarbeitende fragen nach seinen Wünschen und wie es ihm geht. Mit den anderen am Tisch ein paar Worte wechseln. Das tut gut.

Wie es für Linus weitergeht?

Er weiß es nicht. Noch nicht ... Er kommt Tag für Tag zum Frühstück. Diese Hilfe kann er im Moment annehmen.

Dass Orte wie der Franziskustreff für obdachlose Menschen wie ihn überlebenswichtig sind, dafür braucht es ein Bewusstsein in der Gesellschaft. Linus willigt deswegen ein, sich ein Stück begleiten zu lassen. Und zu erzählen, was Obdachlosigkeit mit ihm macht. Und damit man es sehen und verstehen kann: Einen Ort im Leben braucht jeder. Und wenn es nur für eine halbe Stunde ist …

Frühstück ist ein Anfang.

Mit der Verlässlichkeit unseres Angebots wächst Vertrauen. Und mit ihm die Hoffnung. Das Team im Franziskustreff ist da, wenn Hilfe gewünscht ist. Für Linus und die anderen täglich bis zu 180 Gäste. Dank der Unterstützung durch Spenden kann auch unsere Sozialarbeiterin praktische Hilfe im Alltag leisten. Oder die Gäste auf ihrem individuellen Weg in ein besseres Leben begleiten.

„Naja, es geht halt immer nur Stück für Stück. Also irgendwie geht es schon. Musst halt immer dran bleiben. Sich nicht aufgeben.“ So Linus.

Auf die Frage, ob er dranbleibt, antwortet er entschlossen: „Ja, auf jeden Fall!“

Sie können ihn dabei unterstützen. Mit einer Spende halten Sie die Türen zum Frühstücksraum und der Sozialberatung im Franziskustreff offen. www.franziskustreff.de/jetzt-spenden