Selbstbestimmung fördern – gerade in der Not

07.03.2025

Zum Frauentag erinnert der Franziskustreff an die Lage obdachloser Frauen

Frauentag ist eigentlich das ganze Jahr für den Franziskustreff. Denn sehr viele, die die Gastlichkeit des rein spendenfinanzierten Frühstücksangebots wertschätzen, sind obdachlose und von Armut betroffene Frauen. Egal wie abgekämpft, egal wie innerlich und äußerlich mitgenommen – hier sind sie einfach als Mensch willkommen und können sich sicher fühlen. Etwas, was für sie leider nicht selbstverständlich ist. Weniger noch als für Männer, die obdachlos sind. Die sich aber im Fall des Falles physisch etwas besser zur Wehr setzen können.

Die Rast der vielen wohnungslosen Frauen bei duftendem Kaffee und kräftigendem Frühstück ist das lebendige Spiegelbild des aktuellen Wohnungslosenberichts der Bundesregierung. Der macht deutlich: Zwar sind „nur“ etwa zwanzig Prozent aller wohnungslosen Menschen Frauen. Doch da gibt es noch die Form der verdeckten Wohnungslosigkeit – also Menschen ohne eigenes zu Hause, die bei Freunden und Verwandten im Dauerprovisorium Unterschlupf finden. Oder gar Beziehungen eingehen bzw. ungesunde Verbindungen nicht lösen, um nicht auf der Straße zu landen. Hier beträgt der Frauenanteil mehr als vierzig Prozent.

Menschen ohne Obdach entsprechend ihren individuellen Bedürfnissen zu helfen ist am wirksamsten. Dabei begegnet der Franziskustreff ihnen stets auf Augenhöhe. Und er versucht, besonders denen eine Stimme zu geben, die sie selbst nicht mehr wirksam erheben können. Weil für sie tatkräftige Fürsprache und Rückendeckung in der Gesellschaft noch mehr bedeutet: Die Chance, Kraft für einen Neuanfang zu finden.

Frau Frei

Ein Beispiel dafür ist eine Gästin, die wir hier zu ihrem Schutz Frau Frei (Name von der Redaktion geändert) nennen möchten. Zu ihr gestaltet sich der Kontakt schwierig. Das liegt an den Härten, die sie im Leben erfahren hat. Aufgrund jener Zumutungen ist sie nicht mehr in der Lage selbst für sich zu sorgen. Erlebnisse und Erfahrungen, die sie in ihre eigene Welt haben flüchten lassen, weil die Realität nicht aushaltbar ist.

Frau Frei wirkt immer unruhig, geradezu unstet. Sie hüllt sich notdürftig ein. Denn Bekleidung in jeder Form ist ihr ein Schrecken: Ergebnis schrecklicher Dinge, die ihr im Zusammenhang mit Kleidung im Leben widerfahren sind. Ansprechbar ist Frau Frei nur kurz – und sehr begrenzt. Denn sie lebt nicht in der „normalen Realität“. Der hat sie sich, aus tiefster Furcht, fast vollkommen entzogen. Sie hat sich ihre eigene Realität geschaffen, nach ihren eigenen Regeln. Die kennt und versteht kaum jemand. Vielleicht nicht einmal sie selbst.

Der Franziskustreff in Frankfurt gehört zu denen, die mit Frau Frei dennoch ein wenig Kontakt halten können. Dank viel Feingefühl und persönlichem Engagement der hauseigenen Beratung mit Sozialarbeiterin Svetlana Strojan: „Es ist wichtig nicht zu urteilen und sich den menschlichen Blick zu bewahren. Gerade, weil nicht immer nachvollziehbar scheint, was Menschen in Not tun.“

Weil es darum geht, dass das Recht auf ein einigermaßen würdiges Leben auch dann weiterbesteht, wenn Helfen kaum mehr möglich scheint. Wenn Hilfe oft sogar zurückgewiesen wird. Das ist ein Balanceakt, abzuwägen zwischen Fürsorge und Verantwortung übernehmen, aber auch das Recht auf Selbstbestimmung zu achten und zu bewahren. In den kurzen klareren Momenten ist Frau Frei einverstanden, dass Sozialarbeiterin Strojan mit ihr Kontakt hält. Von ihr nimmt Frau Frei hin und wieder auch mal etwas mehr Hilfe an, wie Kleidung. Oder lässt sich etwas von der seelischen Last abnehmen. Und dann zusammenhanglose Fragmente ihres offenbar dramatischen und tragischen Lebenslaufs mit Frau Strojan teilt.

Begleiten statt betreuen

Für das Team des Franziskustreffs ist klar: Der Einsatz für die Teilhabe obdachloser Menschen muss erst recht dort weitergehen, wo Betroffene aufgrund ihres geistigen und seelischen Zustandes ihre unveräußerlichen Menschenrechte nicht mehr selbst verteidigen können. Für sie wenigstens die Stimme erheben. Ihnen Begleitung sein, wenn sie es zulassen und wünschen. Diese ungelöste Situation anzunehmen und gemeinsam auszuhalten, auch wenn es manchmal schwieriger kaum sein kann.

Aber das scheinbar Unmögliche schaffen und verwirklichen: Das gehört gleichsam zum Gründungsgeist des Franziskustreffs, gelebt von Bruder Wendelin († 2010). Den schreckte der häufig psychisch angegriffene Gesundheitszustand obdachloser Menschen rund um das Kloster Liebfrauen nicht. Er wollte für seine „Freunde von der Straße“ da sein. Dieser Geist lebt weiter. Er gibt Männern wie auch Frauen in Not Kraft und Rückendeckung. Nicht nur am 8. März, dem Internationalen Tag für die Rechte der Frauen, sondern an allen Tagen, macht der Treff auch seinen weiblichen Gästen speziell auf Frauen zugeschnittene Angebote. Und verschafft ihrer schwierigen Lebenslage Sichtbarkeit und Gehör in unserer Gesellschaft. Deswegen ist der Franziskustreff, der sich zu 100% aus Spenden finanziert, für jede Gabe dankbar.

Gerade etwa konnten wir dank der Spendenbereitschaft aller vertrauten und neuen Wohltäterinnen und Wohltäter die erste nervenärztliche Praxis für wohnungslose Menschen eröffnen. Direkt in den Räumen des Franziskustreffs. Damit das Menschsein auch und gerade dann gelebt wird, wenn es darauf ankommt.

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Obdachlosigkeit bei Frauen

Ihr Franziskustreff-Team