Rezept für ein besseres Leben
Studien zufolge weisen mehr als 77 Prozent der wohnungslosen Menschen eine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung auf.* „Auch im Franziskustreff sehen wir seit Jahren bei den obdachlosen Gästen einen Anstieg bei seelischen Erkrankungen.“ sagt der Leiter Bruder Michael. Nicht nur die Herausforderungen ohne sicheres Zuhause zu überleben, machen krank. Viele sind aufgrund der Krankheit überhaupt erst wohnungslos geworden.
Mieten werden nicht mehr bezahlt. Papiere nicht mehr erledigt. Manche flüchten aus ihrer Wohnung, weil sie Stimmen hören und Angst haben. Oft besteht kein Versicherungsschutz mehr und damit kaum Zugang zur regulären medizinischen Versorgung - außer im Notfall. Ist es erst einmal so weit gekommen, verhindern hohe Hürden, dass obdachlose Menschen Behandlung bekommen. Zur Terminvereinbarung braucht man beispielsweise ein Telefon und Guthaben. Aber auch Scham und Ängste vor dem medizinischen System mitunter bedingt durch schlechte Erfahrungen, können Gründe sein, die es Betroffenen so schwer machen Hilfe zu bekommen.
Um den Zugang zu erleichtern und damit diese Versorgungslücke zu schließen, erfolgte eine intensive Antragsstellung. Es gelang eine in dieser Form einzigartige Ermächtigung für die nervenärztliche Behandlung von wohnsitzlosen Menschen zu erhalten.
Sogar ohne Krankenversicherung. Ergänzend zum Frühstück und der Beratung in sozialen Fragen: Dieser Dreiklang der Mitmenschlichkeit ist wenige Wochen vor Weihnachten Wirklichkeit geworden. Finanziert aus Spenden.
Erste Praxis dieser Art in Deutschland verstärkt das Hilfenetz für Menschen in Not
Die erfahrene Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. med. Eva Fucik ist seit Jahren für wohnsitzlose Menschen in Frankfurt aktiv. Nun eröffnete sie gemeinsam mit der Franziskustreff-Stiftung die Praxis für Wohnsitzlose: Die erste mit nervenärztlichem Schwerpunkt dieser Art in Frankfurt. Und in ganz Deutschland.
Verlässlichkeit schafft Vertrauen
Durch die direkte, räumliche Anbindung an den Franziskustreff als verlässlichen Anlaufpunkt, ist die Praxis besonders niederschwellig erreichbar. Die Gäste, die regelmäßig zum Frühstück in den Franziskustreff kommen, erleben ihn als sicheren Ort, wo sie unter vertrauten Menschen sind. Viele holen sich daher auch in der Sozialberatung weitere Hilfe in Alltagsfragen.
Erschweren jedoch psychische Erkrankungen ihre Lebenssituation zusätzlich, so stößt die Sozialberatung, an ihre Grenzen. Dann werden die Gäste - ihr Einverständnis vorausgesetzt - direkt von der Sozialarbeiterin an Frau Dr. med. Fucik in die Sprechstunde vermittelt. Und eine schnelle Behandlung ohne große Hürden besonders für psychisch kranke Mitmenschen, die auf der Straße leben, ermöglicht. Das Angebot der Praxis wird den Gästen des Franziskustreffs zugutekommen.
Idealerweise werden die Patienten wieder „wohnfähig“, selbstständig und eigenständig. Kommen erstmal auch wieder in die Lage, Entscheidungen zu treffen, Formulare auszufüllen. Damit geht die Praxis Hand in Hand mit der Arbeit der Sozialberatung und macht diese wieder möglich.
So bietet die Praxis für Wohnsitzlose eine Ergänzung zu den etablierten gesundheitsmedizinischen Versorgungsangeboten in Frankfurt, die bereits durch die Angebote der Wohnungslosenhilfe bestehen. Sie richten sich speziell an nichtversicherte Menschen, damit sie ganz ohne Hürden und schnell behandelt werden können.
Damit führt die Franziskustreff-Stiftung das Lebenswerk Bruder Wendelins fort. Weil Menschen mit anderen teilen, denen es nicht so gut geht, bleibt der Franziskustreff sicherer Zufluchtsort. Und baut das Hilfsangebot weiter aus. Ganz nah am wirklichen Bedarf obdachloser und armer Mitmenschen.
Ein Geschenk für Menschen in Not
Der Franziskustreff feiert am 24. November 2024 nun schon seinen 32. Geburtstag. Bruder Wendelin wäre sicher stolz und glücklich, was aus dem Samen, den er einst säte, gewachsen ist. Und stetig wächst. Sein Herzensanliegen bringt weiterhin viele Menschen zusammen, damit es obdachlosen und bedürftigen Menschen besser geht.
Doch damit der Tisch gedeckt bleibt, die Sozialarbeiterin weiter die besten Lösungen finden darf und die Gäste gesünder werden können, braucht es Unterstützung: Der Franziskustreff ist, wie zu Bruder Wendelins Zeiten, weiterhin auf Spenden angewiesen. Es sind die Menschen, die von dem abgeben, was sie haben. Allen, die mit einer Spende obdachlosen und armen Menschen die Hand reichen: Ein herzliches Dankeschön.
*Quelle: Prävalenzen psychischer Erkrankungen bei wohnungslosen Menschen in Deutschland
MEDIZIN: Originalarbeit Prävalenzen psychischer Erkrankungen bei wohnungslosen Menschen in Deutschland
Eine systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse
The prevalence of mental illness in homeless people in Germany—a systematic review and meta-analysis
Dtsch Arztebl Int 2017; 114: 665-72; DOI: 10.3238/arztebl.2017.0665
Schreiter, Stefanie; Bermpohl, Felix; Krausz, Michael; Leucht, Stefan; Rössler, Wulf; Schouler-Ocak, Meryam; Gutwinski, Stefan