Ein Teller Freude, bitte!

23.08.2023
"Schürzee umbinden und los geht´s! Erste meiner Aufgaben: Tische dekorieren." Foto: noicrew.com
Erwartungsfrohes Gedränge am Eingangstor Foto: noicrew.com
Ein kleiner Chor aus Gästen des Franziskustreff, Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen überrascht die Festgesellschaft. Foto: noicrew.com

Mittendrin beim Sommerfest für die obdachlosen und armen Gäste des Franziskustreffs

Jeden Werktag ein Frühstück, am Platz serviert. Mit Auswahl, von klassisch süß über Wurst und Käse bis vegan. Für bis zu 160 obdachlose und arme Gäste, die ihren Hunger stillen. Das ist für die Hauswirtschaft des Franziskustreffs und das ehrenamtliche Morgenteam immer wieder beides: eine logistische Herausforderung und Freude an Nächstenliebe.

Beim Frühstücksdienst am Morgen habe ich bereits mit angepackt. Aber noch nicht bei der Extra-Freude, die der Franziskustreff auch gerne auf die Tische zaubert. Wie beim traditionellen Sommerfest im Klosterhof: nur für die Gäste. Ich bin extra von auswärts angereist. Um mitzuhelfen. Voller Vorfreude.

In der Hauswirtschaft empfängt mich fleißiger Trubel: Schließlich sind Dutzende von Vorspeisentellern vorzubereiten. Tische aufzustellen und zu schmücken. Hat schon jemand den Grill angefeuert? Sind die Cocktails zur Begrüßung parat? Jetzt schnell die Schürze umbinden und dann beim Aufbau der Fotoecke helfen… Aus dem Gemeindesaal klingen die Stimmen eines Chors in den Klosterhof. Eine Probe für das Fest vielleicht?

Und das Wetter ist auch bestens mit „oben“ abgesprochen: sonnig, mit leichtem Lüftchen. Vor dem Klostertor herrscht früh schon großer Andrang. Die Gäste kommen mehr als pünktlich. Bunte Smiley-Buttons auf der Brust weisen die Eingeladenen aus. 

Es ist genug für alle da
Am Einlass begrüßen Bruder Michael Wies und Hauswirtschaftsleiterin Katrin Renz die ungeduldigen Gäste und versichern: Jeder bekommt einen Platz. Es ist genug für alle da. Schnell finden sich an den Tischen erwartungsfrohe Zufallsrunden zusammen. Erste Erfrischung mit Cocktail „Franzi“. Was für Leckereien wird es geben? Ein kleines Unterhaltungsprogramm ist ja auch versprochen … Munteres Stimmengewirr erfüllt den Klosterhof.

Ein Blick auf die Speisekarte verrät mir meinen nächsten Einsatz: jetzt gibt’s Vorspeisenteller „Wendelin“. Der Gründer und Namensgeber des Franziskustreffs hätte gewiss über die Ehrung geschmunzelt. Ich balanciere mit meiner Ladung Teller durch die Reihen. Respekt für alle Profi-Kellnerinnen dieser Welt. Ich finde es super, dass mir wenigstens nichts auf den Boden fällt. Wäre schade darum.

Zugleich schaffe ich es, in Augen zu sehen, die vor Freude und Erwartung glänzen. Ein mehrgängiges Essen, am Platz serviert, mit liebevoller Garnierung. Eine seltene Freude, wenn man auf der Straße lebt. Arm ist.

Gut eingespielt durch den Morgendienst, bedienen die Ehrenamtlichen und die Mitarbeitenden ganz flott die Festgesellschaft. Währendessen begrüßt Bruder Paulus die große Runde. Sein letztes Sommerfest hier, zumindest als Geschäftsführer der Stiftung: Sein künftiges Wirken für die Kapuziner in München ist beschlossene Sache.

Er sagt Adieu, mit einer Prise Wehmut und mit einer großen Kelle Zuversicht für die Zukunft des Treffs. Diese Sicherheit will er den Gästen mitgeben: Bevor sie das Fest wieder verlassen haben. In ihre Lebensrealität zurückgekehrt sind. Ich schlucke ein wenig. So viel Abschied. Denn ich erfahre erst jetzt: Küchenchef Gregor liefert heute auch die letzte Kür. Das Leben führt ihn künftig an eine neue Arbeitsstätte. Sein Abschied: für die Gäste und ihn bewegend. Und für mich auch. Herzlich betreut durch ihn war stets die Morgenschicht im Franziskustreff. Für die Gäste und alle Mithelfenden.
Doch jetzt wird gefeiert.

Auch ohne Speisekarte verrät die Nase: Nun gibt es Gegrilltes, fleischig und vegan. Diesmal bedienen sich die Gäste selbst. Zu tun hat das Team trotzdem. Als Büffetpersonal sorgt es dafür, dass es auf den Tellern bunt wird. Mit Krautsalat, Nudelsalat, Tomate mit Mozzarella, Kartoffelsalat, Farmersalat. Auswählen dürfen – ganz nach Geschmack. Friedliches und wohlgestimmtes Schmausen überall.

Dann ist es Zeit für das Bühnenprogramm: Unter der ehrenamtlichen Leistung von Opernsängerin Kerstin R. formierten sich Gäste, Ehrenamtliche und Mitarbeitende zum „Franziskustreffchor“. Ich singe nicht mit, bin ein wenig scheu und habe auch den Text nicht drauf. Der Mund steht mir trotzdem offen. Denn ich entdecke gerade, dass unser Geschäftsführer für Personal und Finanzen, Thomas Koch, auch auf der Bühne steht. Er verstärkt den Chor nicht nur mit seiner Stimme. Sondern auch mit seiner Gitarre. Ganz schön stark. Diese Saiten sind die Seiten an ihm, die ich auch noch nicht kenne. Ich bin baff. Und das Programm: besinnlich, heiter und hessisch. Frau Schubert* hat sogar einen Liedtext umgedichtet. Bruder Paulus so nochmal ganz persönlich Lebewohl zu sagen, ist ihr wichtig. So wie vielen, die die Gelegenheit nutzen, um ihm nach 13 Jahren Gestalten und Lenken für ihren Franziskustreff zu danken.

Gemeinsame Erinnerungen werden geteilt. Fröhliches Kichern. Das harte Leben auf der Straße ist mal für eine Weile ganz weit weg. Ich freue mich, bin gerührt: über die herzliche Dankbarkeit und tiefe Freude, die ich in den Gesichtern der obdachlosen und armen Menschen erkennen kann.

Als das Eis zum Dessert verputzt ist und sich der Hof am Nachmittag leert, bin ich voll.  Von Eindrücken, Zufriedenheit, Genugtuung. Ich durfte gemeinsam mit einem beseelten Team das Werk von vielen weitergeben. An die, denen das Leben allzu oft die größten Härten zeigt. Ein Pfund Ideen, ein paar Tische, ein paar Bänke, … mit den liebenswürdigen Spenden unserer Wohltäterinnen und Wohltäter – zusammen war das ein tolles Rezept für Nächstenliebe. Nächstes Jahr versuche ich wieder dabei zu sein. Denn andere zu beschenken, ist auch wie ein Geschenk für mich!

Ganz herzlich! Sven