Ein Jahr: ReBeCa trainiert

31.03.2025
Fit mit ReBeCa bietet Abwechslung für jedes Fitnesslevel: Dehnen, Kräftigen und Entspannen mit Stuhlyoga.
Zwei Sportsfreunde verbreiten Sportfreuden - Dariush und Andrea sind auch in ihrer Freizeit gern in Bewegung.

Begegnungscafé ist auch Bewegungscafé

Es war die Idee des stellvertretenden Hauswirtschaftsleiters Dariush Rahimi und der Sozialarbeiterin Andrea Knechtel im Franziskustreff: Gesundheits- und Fitnesstraining mit Thera-Bändern. An den sportlichen Nachmittagen im Begegnungscafé ReBeCa werden obdachlose und arme Menschen selbst für ihr Wohlbefinden aktiv. Denn obwohl die meisten den ganzen Tag auf der Straße unterwegs sind, führt das nicht automatisch zu gesunder Bewegung. Ganz im Gegenteil. Das Leben ohne ein eigenes Zuhause strapaziert die Gesundheit. Besonders auch die körperliche.

Sportfreuden für Sportsfreunde

 „Fit mit ReBeCa“ ist verlässlich wiederkehrender Bestandteil des Angebotes. Denn das Konzept kommt an bei den Gästen: „Es macht Spaß und tut gut.“ Eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio kommt für sie finanziell nicht in Frage. Zudem wäre die Scheu für viele ohnehin zu groß, dieses zu besuchen. Aber bei ReBeCa treffen die Sportsfreunde unter den Frühstücksgästen jedes Mal mit vertrauten Gesichtern zusammen. Viele teilen ein ähnliches Schicksal, niemand muss sich erklären. Und es ist einfach schön, sich bei Saft und kleinen Snacks etwas Gutes zu tun. Andreas und Dariushs „Muckibude“ steht denen der Stadt in nichts nach: hier finden die Gäste einen geschützten Raum sich um unter fachkundiger Anleitung selbst etwas Gutes zu tun.

Schweres Gepäck und schlechtes Schuhwerk

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe hat ein Themenblatt zu Gesundheitsförderung mit Wohnungslosen* herausgebracht. Es hebt hervor: Sport tut gerade Menschen ohne Obdach gut. Aus vielen Gründen kann er der Schlüssel zu mehr Gesundheit sein. Sich regelmäßig bewegen, beugt chronischen Krankheiten im Herz-Kreislauf-Bereich, Diabetes und Fettleibigkeit vor. Obdachlose Menschen sind zwar meist den ganzen Tag auf den Beinen. Doch gesund ist das trotzdem nicht. Oft tragen sie unpassende oder verschlissene Schuhe. Ihre Kleider schützen kaum vor Wind und Wetter. Sie schleppen schwere Taschen mit sich herum. Sitzen und liegen auf dem harten, kalten Boden. Das belastet ihren Körper stark und meist einseitig.

Kein Platz zur Erholung

Die Nacht ist für obdachlose Menschen meistens noch anstrengender als der Tag. Wo kann ich heute schlafen? Ohne Matratze. Mit Angst vor Übergriffen. Im grellen Laternenlicht. Begleitet von ständigen Geräuschen. Bei Hitze oder Kälte – und nicht selten auch Nässe. Erholung? Unmöglich. Und so kommt es zu Verspannungen überall im Körper. Ständige Schmerzen und häufige Infekte prägen das tägliche Überleben.

Je länger Menschen ohne Obdach leben müssen, desto stärker sind ihnen diese Belastungen anzusehen. Das wird morgens beim Frühstück im Franziskustreff deutlich. Auch, dass die Strapazen dazu führen, dass allgemein die Kraft fehlt, erleben die Sozialarbeiterinnen in der Beratung. Aber hier kommen Andrea und Dariush ins Spiel.

Fitness for free

Das Sportprogramm der Sozialarbeiterin und des stellvertretenden Hauswirtschaftsleiters gibt es nun schon seit einem Jahr. Und es kostet nichts, jedenfalls fast: Nur die Scheu vor Neuem zu verlieren. Oder den inneren „Schweinehund“ zu überwinden. Wer die Kraft aufbringt, merkt schnell – diese Investition in sich selbst zahlt sich aus.

Das Training schafft Ausgleich und mehr Wohlbefinden. Das ist für obdachlose Menschen besonders wertvoll. Denn es ist für sie schwieriger, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Zum einen, weil sie, infolge ihres Schicksals, aus der staatlichen Krankenversicherung gefallen sind. Zum anderen, aus Scham, weil die Körperpflege auf der Straße zu kurz kommt. Und wohin mit den Habseligkeiten in Tüten, Rucksack oder Taschen, die Menschen ohne Obdach immer bei sich tragen. Zum Leben zu wenig, fürs Wartezimmer zu viel. Haben er oder sie noch ein Haustier als Begleiter oder kein Mobiltelefon, um Termine zu buchen, wird ein Arztbesuch ganz unmöglich.

Durchhalten, weil man nicht zum Arzt kommt

Die Zahlen einer von der Berliner Hochschule erstellten Studie bestätigen, dass bestenfalls 38 Prozent der wohnungslosen Menschen Zugang zu regelmäßiger medizinischer Versorgung haben. Bei den restlichen 62 Prozent finden Vorsorge oder Behandlung schlicht nicht statt. Obdachlosen Menschen wird dadurch generell viel weniger medizinische Vorsorge zu Teil. Und Krankheiten werden später oder gar nicht diagnostiziert und behandelt.

„Fit mit ReBeCa“ bewegt etwas

Wenn mittwochnachmittags die Gymnastikmatten im Gemeindesaal ausgerollt werden, beugen die Gäste Krankheiten vor. Und jenen, die schon krank sind, hilft das Training besser mit den Symptomen zurecht zu kommen. Die Übungen machen nicht nur Spaß. Sondern können auch dafür sorgen, dass die Gäste gesünder und damit hoffentlich länger leben.

Und sich sportlich zu betätigen, tut auch der Seele gut. Es lindert mentale Belastung. Das baut Stress ab, steigert das Selbstwertgefühl und vermindert depressive Symptome. Das hilft Ängste abzubauen, neue Energie und Lebensmut zu finden.

„Fit mit ReBeCa“ hilft außerdem Einsamkeit und Isolation zu durchbrechen: Die Fröhlichkeit in der Runde ist spürbar. Da ist ein Gefühl der Verbundenheit. Beim Plausch wird der eine oder andere Tipp für den Alltag ausgetauscht. Das alles gibt Selbstbewusstsein und Energie zurück.

Sport ist ein Teil des Puzzles

Wer sich insgesamt besser fühlt, der hat mehr Kraft und traut sich mehr zu, Probleme im Alltag anzupacken und Hilfe anzunehmen. Vielleicht nach dem Frühstück mal bei der Sozialberatung anzuklopfen, um endlich die Probleme mit dem Sozialamt zu lösen. Oder sich auch um die seelische Gesundheit zu kümmern. In der Praxis für wohnsitzlose Menschen bekommen die Gäste niederschwellig Termine bei neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen. Ohne lange Wartezeiten. Gegebenenfalls sogar ohne Krankenversicherung.

Dariush und Andrea freuen sich, dass das Angebot so gut angenommen wird. Zu sehen, dass auch bei den Gästen wirkt, was sie selbst als Sportfans so schätzen. Damit die Gäste, gerade mit ihrem schweren Alltag, sich stärken und das Vertrauen in sich selbst wiedergewinnen.

Nicht nur das Fitnessteam sagt „Danke“ an alle, die das mit ihren Spenden möglich machen!

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* Quellen: 22-04_Themenblatt_Gesundheitsfoerderung_mit_Wohnungslosen.pdf